Das überwachte Internet kommt

Klarnamen-Pflicht in den sozialen Netzwerken: Es geht nicht um den Kinderschutz

In den letzten Wochen wurde eifrig über das Thema „Social-Media-Verbot für unter 16jährige“ gestritten. Doch eigentlich geht es der Politik gar nicht darum – die öffentlich gut orchestrierte Debatte ist letztlich nur ein Trojanisches Pferd für viel weiterreichende Überwachungspläne. Vorgeschützt wird bei alledem wie so oft der Jugendschutz. In Schleswig-Holstein, wo besonders öffentlichkeitswirksam diskutiert wird, lässt sich unschwer erkennen, woher der Wind weht.

Begonnen hatte alles mit Äußerungen von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), der ein Verbot sozialer Medien für Minderjährige forderte. „Ich halte es für richtig, dass wir uns auf Bundesebene für ein Mindestalter von 16 Jahren für die Nutzung von Social Media einsetzen“, erklärte Günther dem NDR. Doch schon wenig später rückte die CDU-Landtagsfraktion das eigentliche Anliegen in den Fokus: „Wir brauchen eine Klarnamenpflicht in sozialen Medien“, forderte Fraktionschef Tobias Koch in den „Kieler Nachrichten“. Diese Forderung wurde bundesweit aufgegriffen, wie „n-tv“ berichtete: „Die CDU in Schleswig-Holstein will eine Klarnamenpflicht in sozialen Netzwerken durchsetzen.“

Experten warnen vor den Konsequenzen: „Eine allgemeine Klarnamenpflicht würde dissidente Meinungen und kritische Äußerungen im Keim ersticken“, so ein Medienrechtler gegenüber dem NDR. Tatsächlich zeigt die Erfahrung aus anderen Ländern, dass solche Maßnahmen weniger der Bekämpfung von Hasskommentaren dienen als vielmehr der Kontrolle unliebsamer Meinungen.

Dazu erklärt Gereon Bollmann, Mitglied des Deutschen Bundestages, und Mitglied im Ausschuss für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend:

„Hinter der vordergründigen Sorge um den Jugendschutz verbirgt sich letztlich ein massiver Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung aller Bürger. Die geplante Altersbeschränkung dient dabei nur als Türöffner für weitreichendere Kontrollmechanismen.

Die Befürworter argumentieren, es gehe darum, ‚Hetze‘ und falsche Identitäten im Netz zu bekämpfen. Doch tatsächlich würde eine Klarnamenpflicht den bislang anonymen Meinungsaustausch in den sozialen Netzwerken praktisch unmöglich machen bzw. verbieten. Damit einher geht auch ein offenkundiger Angriff in Richtung AfD. Den etablierten Parteien ist schon seit längerem ein Dorn im Auge, dass sich unsere Partei in den sozialen Netzwerken als stärkste Kraft etabliert hat und den Altparteien vormacht, wie junge Menschen und Wähler angesprochen werden.

Bedenklich ist auch die geplante Verknüpfung mit Altersverifikationssystemen. Wie die ‚Tagesschau‘ berichtet, sollen nämlich ‚technische Lösungen zur Altersüberprüfung‘ eingeführt werden. In der Praxis würde dies eine lückenlose digitale Identifizierung aller Nutzer bedeuten – ein weiterer Riesenschritt hin zum gläsernen Internetnutzer.

Wie man einen wirksamen Kinder- und Jugendschutz installieren könnte, haben meine Fraktionskollegen und ich schon im Familienausschuss der vergangenen Legislatur immer wieder vergebens vorgestellt. Demgegenüber offenbart die aktuelle Debatte ein gefährliches Spiel mit dem Jugendschutz. Während die Politik vorgibt, Kinder schützen zu wollen, bereitet sie in Wahrheit den nächsten Schritt zum überwachten Internet vor.“