Bundestagsrede zur Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir befassen uns heute mit einer Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Schaut man sich den Gesetzentwurf aber einmal genauer an, so ist die Enttäuschung groß; denn – Kollegin Wulf hat es ja schon erwähnt – es geht nicht um Inhalte, es geht um eine Stellenbesetzung.
Die Besetzung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle wurde in letzter Zeit mehrfach – wir haben es auch schon gehört, von Herrn Lehmann – mit einer Konkurrentenklage angefochten. Nun trifft man aber nicht etwa eine rechtmäßige Auswahlentscheidung, sondern lässt den Posten vier Jahre lang vakant stehen, und jetzt soll es der Gesetzgeber möglichst schnell regeln. Der Bewerber soll nicht mehr auf den Vorschlag der Bundesregierung durch die Familienministerin ernannt, sondern er soll vom Bundestag gewählt werden.
Wie schön aber auch, dass man jetzt einen passenden Bewerber ins Amt hieven kann, ohne eine unliebsame Konkurrentenklage befürchten zu müssen!
Liebe Kollegen, im öffentlichen Dienst werden doch Tag für Tag zahlreiche Dienstposten vergeben. Nur weil man im Familienministerium zu einem rechtmäßigen Auswahlverfahren nicht in der Lage ist, muss man doch kein Gesetz ändern, Herr Lehmann.
Es genügt einfach die strikte Einhaltung der Bestenauslese. Nehmen Sie da doch mal Nachhilfe!
Natürlich funktioniert dies nicht, wenn man unbedingt einem politischen Günstling zu dieser Position verhelfen will.
– Geben Sie sich doch mal ein bisschen mehr Mühe mit den Einwürfen!
Nach dem Gesetzentwurf soll der Bewerber durch den Bundestag gewählt werden. Aber hinter den Kulissen verbleibt die Entscheidung nach wie vor bei der Exekutive; denn ohne einen Vorschlag der Bundesregierung findet eine Wahl doch gar nicht statt. Es ist also ein Märchen.
Die Leitungsstelle erhält durch einen Wahlvorgang gerade nicht eine Aufwertung. Denn die Exekutive hält die entscheidenden Fäden doch nach wie vor in der Hand.
Die Neuregelung widerspricht außerdem einer zentralen Bestimmung unseres Verfassungsrechts, nämlich dem Gewaltenteilungsprinzip aus Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes.
– Schauen Sie da doch mal rein, Herr Rix. – Nach diesem Prinzip hat sich der Bundestag auf gesetzgeberische Tätigkeiten und die Kontrolle der Regierung zu beschränken. Die Besetzung eines Dienstpostens in der öffentlichen Verwaltung ist aber weder Gesetzgebung noch Kontrolle.
Auch mit der Wahl des Bundeskanzlers kann man dies nicht vergleichen; denn die Kanzlerwahl ist eine Ausnahme, und Ausnahmen sind immer restriktiv zu handhaben. Deshalb wählt der Bundestag auch nicht die Minister, die Staatssekretäre oder sonstige Bewerber für den Höheren Dienst in Bundesoberbehörden.
Die Personalrekrutierung ist im Gegenteil die vornehmste Aufgabe der Exekutive.
Und wenn wir hier schon keine Minister wählen: Weshalb sollte es dann mit Blick auf die Gewaltenteilung richtig sein, einen Verwaltungsposten innerhalb eines Ministeriums durch eine Wahl zu besetzen? Mir erschließt sich das jedenfalls nicht.
Wieder einmal missachtet ein Gesetzentwurf der Koalition unser Grundgesetz. Es hat schon etwas Erbärmliches, wieder ansehen zu müssen, wie mit tragenden und unveränderlichen Säulen eines freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaates sorglos umgegangen wird, wie abendländische Errungenschaften ignoriert werden, die oder Montesquieu entwickelt haben, um ein Staatswesen durch die Teilung der Gewalten zu stabilisieren.
Wir lehnen die Wahl für diesen Dienstposten durch den Bundestag ab. Wir werden mit Spannung zuschauen, wie viele sonstige Freunde unser Grundgesetz in diesem Hohen Hause wohl noch hat.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
- Weitere Informationen zur Debatte finden Sie auf der Website des Deutschen Bundestages.