Schlechte Noten in Schule und Hochschule bei „Gender-Verweigerung“?
Die Stabsstelle Gleichberechtigung der Universität Kassel war eine der „VorreiterInnen“. Auf deren Website war zu lesen,
„Im Sinne der Lehrfreiheit steht es Lehrenden grundsätzlich frei, die Verwendung geschlechtergerechter Sprache als ein Kriterium bei der Bewertung von Prüfungsleistungen heranzuziehen.“
Im Klartext: wer nicht gendert, erhält einen Punktabzug. Inzwischen hält die Stabsstelle aufgrund nachhaltiger Kritik nicht mehr an der Regelung fest. Auch von Schülern wird berichtet, ihnen werde von Lehrern ein direkter oder indirekter Zwang auferlegt, in schriftlichen Arbeiten und mündlichen Beiträgen eine geschlechtsneutrale Schreib- und Sprechweise zu verwenden.
Was ist rechtlich davon zu halten?
1. Rat für deutsche Rechtschreibung
Die maßgebliche Instanz in Fragen der deutschen Rechtschreibung ist der sog. „Rat für deutsche Rechtschreibung“. Er gibt mit dem amtlichen Regelwerk das Referenzwerk für die deutsche Rechtschreibung heraus. Der Rat ist ein zwischenstaatliches Gremium, dessen Aufgabe es ist, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung weiter zu entwickeln. Ihm gehören 41 Mitglieder aus sieben Ländern und Regionen an.
In Ziff. 1 seines Statutes heißt es u.a., die Vorschläge des Rates „erhalten durch Beschluss der zuständigen staatlichen Stellen Bindung für Schule und Verwaltung.“ In Ziff. 3.5 heißt es, der Rat erstatte den zuständigen staatlichen Stellen „in der Regel alle fünf Jahre einen Bericht.“ Von seinen Vorschlägen abweichende Beschlüsse der staatlichen Stellen seien nur nach vorheriger Beratung mit dem Rat möglich. Der nächste Bericht ist noch im Jahr 2022 zu erwarten.
2. Kultusministerkonferenz, Runderlasse der Kultusministerien
Bildung fällt in Deutschland im Wesentlichen in die Gesetzgebungszuständigkeit der Bundesländer (Art. 30, 70 GG). Die Kultusministerkonferenz der Länder beschließt regelmäßig, dass die vom Rat vorgeschlagenen Regelungen in die Amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung aufgenommen werden sollen. Die jeweiligen Kultusministerien setzen diese Amtliche Regelung sodann per Runderlass um. So hat das Land Niedersachsen beispielsweise durch Runderlass vom 22. August 2018-32-82101/1-VORIS 22410 bestimmt, dass das amtliche Regelwerk zur deutschen Rechtschreibung in seiner jeweils gültigen Fassung die verbindliche Grundlage des Unterrichts an allen Schulen ist. Damit ist die Regelung rechtsverbindlich geworden. Sie bindet Schulleitungen, Lehrer und Schüler.
In Schleswig-Holstein findet sich die verbindliche Regelung im Erlass des Ministeriums für Bildung und Frauen vom 18. April 2006 – III 30 – 320.351.24 – 1, zuletzt aktualisiert am 22. Mai 2019.
3. Keine „Gender-Regeln“
Das Amtliche Regelwerk enthält keine Regelungen zu den typischen Gendering-Ansätzen wie Asterisk (das Gendersternchen), Gender-Doppelpunkten, Gender-Unterstrich (Gender-Gap) und Gender-Klammern sowie das Signal-I. Damit sind diese grammatischen Formen unzulässig.
Zulässig sind das sog. generische Maskulinum und die Sichtbarmachung beider Geschlechter („Schülerinnen und Schüler“). Zulässig sind – da sprachregulär – auch geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen („Lehrkräfte“, „Studierende“), wobei man sich noch darüber unterhalten kann, ob Letzteres dann auch materiell richtig ist, da es die Tätigkeit der Studenten beschreibt. Die sich des Nachts zur Ruhe begebenden Studenten können wohl schwerlich im Schlaf studieren, oder?
4. Germanisten
Bei den großen Instituten, die sich der deutschen Sprache widmen, besteht zwar ein Konsens darüber, dass eine geschlechtsgerechte Sprache sinnvoll ist. Nachhaltige Kritik wird indessen an den typischen und nach dem Amtlichen Regelwerk unzulässigen Formen geübt.
Die „Gesellschaft für deutsche Sprache“ lehnt das sog. Gendersternchen ausdrücklich ab und betont, die orthografische und grammatische Richtigkeit und Einheitlichkeit sowie die (Vor-)Lesbarkeit und die Verständlichkeit eines Textes hätten gegenüber einer „diskriminierungsfreien“ Sprache die höhere Priorität (Leitlinien der GfdS zu den Möglichkeiten des Genderings, Stand August 2020).
Der Rat für deutsche Rechtschreibung stellte fest, dass es sich um eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe handele, die sich nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung lösen lasse (Empfehlungen vom 26. März 2021, aufgrund derer man davon ausgehen kann, dass die für 2022 erwarteten Regelungen bei den bisherigen Festlegungen bleiben werden). Der Rat lehnt Gendersternchen, -Gaps, -Doppelpunkte und die anderen möglichen verkürzten Variationen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen ab.
5. BGH und Grundrechte
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 13. März 2018 (Az. VI ZR 143/17) entschieden, ein Dienstleister sei nicht verpflichtet, gendergerecht zu formulieren. Das generische Maskulinum könne verallgemeinernd geschlechtsneutral verstanden werden. Dessen Verwendung stelle deshalb keine Benachteiligung der Klägerin i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG dar.
Da das Gendern derzeit Gegenstand kontroverser politischer Diskussionen ist, ist seine Ablehnung – beispielsweise durch Schüler, die es in ihren Arbeiten nicht verwenden – eine Meinungsäußerung. Das Sanktionieren dieser Meinung durch Vergabe schlechterer Noten – oder auch nur durch die Andeutung, es könne „einen Punktabzug geben“, ist damit ein staatlicher Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit i.S.d. Art. 5 GG und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht i.S.d. Art. 2 GG. Sie wäre damit auch verfassungswidrig, denn es existieren keine allgemeinen Gesetze, die eine Eingriffsgrundlage darstellen könnten (Art. 5 GG) und die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz sind nicht tangiert.
6. Fazit
Lehrer, ob an Schulen oder Hochschulen, handeln rechtswidrig, wenn sie von den „Lernenden“ die Verwendung gendersprachlicher Elemente verlangen, die nicht vom Amtlichen Regelwerk gedeckt sind. Sie begehen damit ein Dienstvergehen, das im Rahmen eines Disziplinarverfahrens zu ahnden ist.
Deshalb ist es Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern auch möglich, die Einleitung solcher Verfahren durch Anzeigen zu veranlassen. Für eine angemessene Weiterentwicklung der Sprache bedürfen wir eines herrschaftsfreien Diskurses, der durch ideologisch induzierten Notenzwang nicht beeinflusst werden sollte.