Geburtshilfe in Schleswig-Holstein muss flächendeckend erhalten bleiben
Nicht zerreden, sondern „Butter bei die Fische“!
Als der Schleswig-Holsteinische Landtag am letzten Septembertag zusammentrat, stand ein Punkt am Beginn der Tagesordnung, der die Gemüter in unserem Bundesland erregt: das Drama um die landesweiten – von der Landesregierung unter auffallender Untätigkeit geduldeten – Schließungen von Geburtshilfe-Stationen. Aktueller Aufhänger war das Ende der Geburtshilfe und Gynäkologie an der Paracelsus-Klinik in Henstedt-Ulzburg. Grund: fehlende Wirtschaftlichkeit. Damit reiht sich der Standort Henstedt-Ulzburg in die Reihe der 16 von einstmals 32 Geburtsstationen in Schleswig-Holstein ein, die seit dem Jahr 2000 ihre Pforten geschlossen haben.
Dazu erklärt der schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete Gereon Bollmann, der sich stets in politischen Initiativen und öffentlichen Stellungnahmen (vgl. hier oder hier) gegen den Abbau der Geburtshilfe in Schleswig-Holstein eindeutig positioniert hat:
„Mit der jetzigen Parlamentsdebatte hat die Politik immerhin ein erstes, ermutigendes Signal an die Bürger, vor allem die Frauen und jungen Familien, in diesem Land gesandt. Doch leider stehen am Ende mehr Frage- als Ausrufezeichen.
Die schwarz-grüne Landesregierung scheint keinerlei Plan zu haben, wie sie dem ‚Sterben‘ der Geburtshilfe in Schleswig-Holstein einen Riegel vorschieben kann. Es scheint in Kiel noch nicht angekommen zu sein, dass die Schließung von Geburtsstationen das Problem lediglich auf die bestehenden Krankenhäuser abwälzt. Werdende Mütter weichen auf die verbliebenen Standorte aus, mit der Folge einer massiven Überlastung vorhandener Geburtsstationen. Problemlösung? Fehlanzeige.
Dabei müssten die Grünen hierzulande nur einmal nach Berlin schauen. Im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP heißt es im Kapitel ‚Ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung‘ (S. 85) wörtlich: ‚Wir setzen das Nationale Gesundheitsziel ‚Gesundheit rund um die Geburt‘ mit einem Aktionsplan um. Wir evaluieren mögliche Fehlanreize rund um Spontangeburten und Kaiserschnitte und führen einen Personalschlüssel für eine 1:1-Betreuung durch Hebammen während wesentlicher Phasen der Geburt ein. Wir stärken den Ausbau hebammengeleiteter Kreißsäle und schaffen die Möglichkeit und Vergütung zur ambulanten, aufsuchenden Geburtsvor- und -nachsorge für angestellte Hebammen an Kliniken.‘
Hehre Worte der amtierenden Bundesregierung. Allein passiert ist seitdem nichts – weder auf Bundes- noch auf Landesebene. Im Gegenteil: die Schließung von Geburtshilfestationen hat sogar noch an Fahrt aufgenommen.
Weiter heißt es im Berliner Koalitionsvertrag: ‚Kurzfristig sorgen wir für eine bedarfsgerechte auskömmliche Finanzierung für die Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe.‘ (S. 86) Doch von der ‚auskömmlichen Finanzierung‘ ist in Schleswig-Holstein bislang nichts zu spüren. Motiv und Begründung für das `Geburtshilfe-Aus‘ an kleineren Klinikstandorten sind stets finanzielle Engpässe und wirtschaftliche Erwägungen.
Auch ein dritter Punkt aus dem Ampel-Koalitionsvertrag sei benannt, der in der Plenardebatte des Landtags immerhin gestreift wurde. Es soll in dieser Legislatur eine Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung erfolgen, die das bisherige System um ein nach Versorgungsstufen (Primär-, Grund-, Regel-, Maximalversorgung, Uniklinika) differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen ergänzt.‘ (S. 86)
Aus meiner Sicht wäre in diesem Kontext der vom früheren FDP-Gesundheitsminister Heiner Garg in die Debatte eingebrachte Vorschlag einer Grundpauschale für kleinere Krankenhäuser mit Geburtshilfe ein Anfang, um den Erhalt vorhandener Stationen zu gewährleisten und Anreize zu schaffen, um an jüngst ausgesonderten Standorten die Geburtshilfe wiederzubeleben.
Doch die Kieler Landesregierung macht es sich zu einfach, bleibt passiv und zeigt mit dem Finger auf die Berliner Regierungskoalition. Und auch das Zerreden in der angekündigten Arbeitsgruppe wird keine zeitnahen Ergebnisse liefern. Nein, jetzt muss es heißen: „Butter bei die Fische!“
Ich wiederhole an dieser Stelle gerne meine Forderung aus einer früheren Stellungnahme: Die Landesregierung ist jetzt in der Pflicht, sich endlich von ihrem betriebswirtschaftlichen Kostendenken zu verabschieden. Nur durch eine gemeinsame Anstrengung von Kultur- und Gesundheitsressort wird es gelingen, die unzumutbare Situation an den beiden Universitätskliniken im Lande abzuwenden. Auch an den kleineren Kliniken muss dann in einem zweiten Schritt für einen Fachkräfte- und Personalaufwuchs gesorgt werden. Die Aufrechterhaltung und die finanzielle Stärkung gerade kleinerer Klinikstandorte und eine Abkehr vom Prinzip der Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen sind jetzt das Gebot der Stunde.“