Besuch im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel

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In Deutschland liegt vieles im Argen, und das gilt auch für unser marodes Gesundheitssystem

Fehlende Investitionsgelder, Fachkräftemangel, Klinikschließungen, zu hohe Arbeitsbelastung und ein hoher Verwaltungsaufwand stehen einer alternden Gesellschaft gegenüber und deuten auf eine Zukunft mit vielen Hürden in diesem Sektor. Die Auswirkungen sieht man bereits jetzt in allen möglichen Bereichen. Von der Diagnostik bis hin zur Medikation lässt sich ein dramatischer Verlust an Qualität beobachten.

Diese Entwicklungen führen außerdem zu einer immer größer werdenden Kluft zwischen Kassenpatienten und Privatversicherten. Dies spaltet die Gesellschaft immer stärker, da die privaten Versicherer in der Lage sind, deutlich besser zu vergüten als die gesetzlichen Kassen.

Die Ampel-Regierung will diese Probleme mit ihrer Gesundheitsreform und speziell einer Krankenhausreform angehen. So soll etwa die Fallpauschale an Gewichtung verlieren, der Patient soll in den Mittelpunkt gerückt werden, und es soll eine Zentralisierung und Spezialisierung der Krankenhäuser stattfinden. Was gut klingt, birgt allerdings große Risiken. Ein Blick auf die Entwicklung des Gesundheitssystems in Schleswig-Holstein offenbart die erschreckenden Nebenwirkungen. Von über 25 Geburtsstationen im Jahre 2000 findet man heute nur noch 18 Stationen mit sinkender Tendenz. Für die werdenden Mütter bedeutet das längere Wege und unter Umständen mehr Risiken.

Nicht nur die Geburtskliniken weisen diesen Negativtrend auf. Bundesweit befinden sich ca. 60% der Klinken in massiver finanzieller Schräglage. Man geht dabei von einem strukturellen Gesamtdefizit von 15 Milliarden Euro aus.

Zu meiner Überraschung kennt das Universitätsklinikum in Kiel diese Probleme in solcher Härte nicht. Als Forschungsstandort und Aushängeschild des Landes können viele Missstände kompensiert werden. Neben hochmoderner Medizintechnik und strukturierbaren Multifunktionsgebäuden sorgen natürlich auch die Universitäten für die nötige Fachkompetenz und für den nötigen Nachwuchs in der Ärzteschaft. Bei einer Führung durch die Schwangeren- und Wöchnerinnenstation konnte ich schnell von dem hohen Standard, dem kompetenten Personal und von der Qualität des UKSH überzeugt werden. Mir wurden innovative Arbeitszeitkonzepte und Pflegepersonal vorgestellt, das große Leidenschaft in diesem wichtigen Beruf empfindet.

Den deutlichen Unterschied zu den Kliniken im ländlichen Bereich erklärt ein Blick auf die Finanzen. 2018 war das Universitätsklinikum mit 820 Millionen Euro verschuldet und schöpfte bereits einen Großteil des vom Land Schleswig-Holstein gestellten Kreditrahmens von über 1,25 Milliarden Euro aus. Der Vorstandsvorsitzende Prof. Jens Scholz, Bruder des Bundeskanzlers, fordert inzwischen 1,9 Milliarden Euro vom Land, um den Betrieb aufrecht erhalten zu können. Weitere 780 Millionen Euro Sanierungskosten und 100 Millionen Euro Zinszahlungen, die vom Land übernommen wurden, zeugen von einem Sonderprivileg, das andere Kliniken nicht genießen.

Abschließend lässt sich also der erstklassige Zustand dieser Klinik mit massiven Subventionen zulasten kleinerer Häuser in der Fläche erklären und erlaubt keinerlei Rückschlüsse auf die allgemeine Infrastruktur unseres Gesundheitssystems. Die kleinen Kliniken sind weiterhin von Schließungen betroffen, was größtenteils in der Finanzierung begründet liegt, aber auch am Fachkräftemangel.

Die Konsequenzen der Unterfinanzierung sieht man etwa in meinem Wahlkreis sehr deutlich. Die vollständige Schließung der insolventen Imland-Klinik konnte zwar durch einen Verkauf an eine Unternehmensgruppe verhindert werden, und so bleibt wenigstens dieser Standort den Kreiseinwohnern vorerst erhalten. Allerdings haben nun die werdenden Mütter das Nachsehen und müssen künftig eine Entbindung auf öffentlichen Parkplätzen einkalkulieren.

Sehen Sie dazu auch unser Video vom 3. Februar 2023:

Gereon Bollmann fordert auf Storchenparkplatz die Wiedereröffnung der Geburtsstation in Eckernförde