Oh, Ihr Pharisäer: Ein Blick auf unsere Freunde
Der Historiker Thukydides hat uns den Melierdialog überliefert (Der Peloponnesische Krieg, Buch V, Kap. 84-116). Im Jahr 416 v. Chr. waren die Athener mit einer großen Übermacht vor der Insel Melos erschienen, wollten sie unterwerfen und schickten zunächst Unterhändler in die Stadt, um die Melier von den Vorteilen einer Unterwerfung zu überzeugen.
Nach den sophistischen Regeln war der Dialog über Ehre versus Schande (Schönheit), Nutzen, Realisierbarkeit und Gerechtigkeit zu führen. Das Kriterium Gerechtigkeit schlossen die Athener indessen von vornherein aus: Recht könne nur zwischen Gleichstarken gelten, bei ungleichen Kräfteverhältnissen tue der Starke, was er könne, und erleide der Schwache, was er müsse.
Die Melier entschieden sich nach einer Beratung, den Göttern zu vertrauen und sich der Unterwerfung zu widersetzen. Nach einem halben Jahr Belagerung richteten die Athener alle Männer aus Melos hin und verkauften die Frauen und Kinder als Sklaven.
Solcherlei Brutalität, also das Recht des Stärkeren geltend zu machen, gilt heute als unfein. Die Lümmel, die gegen diese feine Etikette verstoßen, müssen mit Ausschluss aus der kultivierten Weltgesellschaft und heftigster Bestrafung – etwas moderner Sanktionen genannt – rechnen. Mindestens. Aber auch alle?
Zunächst einmal zu den Grundlagen: Nach dem ersten Weltkrieg gab es mehrere Anläufe, Angriffskriege zu untersagen. In der Präambel des Genfer Protokolls von 1924 wird der Angriffskrieg als „internationales Verbrechen“ bezeichnet und in Art. 2 verboten (in Kraft getreten ist es wegen des Widerstandes Großbritanniens nicht). Das findet sich auch in der Deklaration der Bundesversammlung des Völkerbundes vom 24.09.1927 und in der Resolution der 6. Panamerikanischen Konferenz vom 18.06.1928. Im Briand-Kellogg-Pakt von 1928 verzichteten die Unterzeichner dann auf das Instrument des Krieges als Mittel zur Durchsetzung nationaler Interessen. In Art. 2 der Charta der UN finden wir ebenfalls die Verpflichtung, auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten.
Rechtlich gesehen haben wir also international ein Gewaltverbot zwischen Staaten, und zwar mindestens seit Gründung der UN. Daran war auch das heutige Athen, also die stärkste Militärmacht, beteiligt – die USA. Schauen wir also einmal, wieviel sich seit 416 v. Chr. geändert hat.
1961 Kuba
Am 15. April 1961 bombardierten B-26- Flugzeuge der US-Air Force kubanische Flugplätze, wobei sie mit kubanischen Hoheitszeichen versehen worden waren. Die Aggression diente der Landung kubanischer Exilanten in der Schweinebucht, die unter dem Kommando von CIA-Beamten standen und logistisch von der US-Marine unterstützt wurden. Nachdem die Landung wenig erfolgreich schien, erhielten die Angreifer erneut Unterstützung durch die US-Air Force, die dabei Napalm einsetze. Das war ein schlecht getarnter, völkerrechtswidriger Angriffskrieg.
1964-1970 Laos
Im Mai 1964 griffen die USA aktiv in den laotischen Bürgerkrieg ein, ohne UN-Mandat und ohne dass dies zur Selbstverteidigung erforderlich war. Auch das war also ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Insgesamt 260 Millionen Bomben warfen die USA über Laos ab. In der Provinz Xieng Khouang gingen dreimal so viele Bomben nieder, wie über ganz Japan während des Zweiten Weltkrieges.
1964-1975 Vietnam
Hier sehen wir einen Ablauf, der uns höchst aktuell Anlass zur Sorge gibt.
Bis Ende 1945 besetzte Frankreich, das seine früheren Kolonien in Indochina wiedererlangen wollte, Südvietnam. Der französische Angriff auf Hai Phong im November 1946 löste dann den antikolonialen Indochinakrieg der Vietminh gegen Frankreich aus. Die USA hatten zunächst also mit diesem Krieg nichts zu tun. Nach der Niederlage Frankreichs in der Schlacht von Dien Bien Phu verpflichteten sie sich sogar, die Beschlüsse der Indochina Konferenz in Genf 1954 zum Waffenstillstandsabkommen etc. nicht mit Drohungen oder Gewalt zu verändern.
Allein von 1952 bis 1954 hatten die USA indessen bereits ihre Finanz- und Militärhilfen für Frankreich auf 2,76 Milliarden Dollar und damit auf 80% der Gesamtkosten des Indochinakriegs gesteigert. Anfang 1954 folgten dann – sogar ohne Zustimmung des US-Kongresses – erste Waffenlieferungen, nämlich B-26 Bomber und Fluggeräte zum Abwurf von Napalm. Die Anzahl der US-Militärberater in Südvietnam nahm dann von ursprünglich 400 bis 23.300 Ende 1964 zu.
Militärberater im Land und Waffenlieferungen an eine Kriegspartei, ohne selbst am Krieg beteiligt zu sein – woran denken wir aktuell? Und wie geht es weiter?
In Vietnam griff am 31. Juli 1964 ein südvietnamesisches Sabotagekommando zwei nordvietnamesische Inseln an. Am 1. August 1964 lief ein US-Kriegsschiff in den Golf von Tonkin ein. Nordvietnam entsandte daraufhin drei Schnellboote zu dem US-Schiff, das eines davon versenkte und zwei beschädigte – vorgeblich, weil ein Torpedoangriff zu befürchten stand. Ein weiteres US-Kriegsschiff meldete irrtümlich einen tatsächlichen Torpedoangriff, zog die Meldung dann aber wieder zurück. Der Auslandsgeheimdienst NSA legte den dabei entstandenen Funkverkehr dem US-Präsidenten dann nur teilweise und selektiert vor. Er stand wegen dieser Manipulation unter dem Eindruck, US-Einheiten seien von Nordvietnam angegriffen worden und befahl Luftschläge auf Hanoi. Wenige Tage später beschloss der US-Kongress eine Resolution, die der US-Regierung erlaubte, jede weitere Aggression zu verhindern. Das war die Kriegserklärung. So geht das.
Die Beteiligung von US-Kriegsschiffen an Sabotageaktionen war dem Kongress und der Öffentlichkeit verschwiegen worden. Staatssekretär Georg Ball gab später zu, diese Schiffe seien entsandt worden, um einen Kriegsgrund zu provozieren. Die „Vergeltungsschläge“ waren vorher schon vorbereitet worden (vgl. John Hart Ely, War and Responsibility: Constitutional Lessons of Vietnam and Its Aftermath, Princeton University Press 1995, S. 20).
Halten wir also fest: Der Definition eines Interessengebietes folgen Militärberater und Waffenlieferungen. Wenn die Interessen es gebieten, wird ein Kriegsgrund konstruiert. Das Verbot eines Angriffskrieges spielt nur insoweit eine Rolle, als der Kriegseintritt der Öffentlichkeit als defensive Maßnahme dargestellt werden muss.
1969 Kambodscha
Die USA waren durch den Friedensvertrag von 1954 dazu verpflichtet, Kambodschas Neutralität zu respektieren. Am 18. März 1969 begannen die USA mit 60 B-52-Bombern einen Angriff auf Ziele in Kambodscha, die über 14 Monate hinweg fortgeführt wurden. Ein UN-Mandat fehlte. Eine Verteidigungshandlung gegen Angriffe Kambodschas lag nicht vor. Erneut also ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg.
2001 Afghanistan
Einen einzigen Tag nach den Geschehnissen vom 11. September 2001 lag schon die UN-Resolution 1368 vor. Sie bezeichnete die Anschläge als „Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ und hob das „naturgegebene Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung“ hervor. Das waren banal richtige Feststellungen. Eine Beurteilung, wer hinter den Geschehnissen steckte, war natürlicherweise zu diesem Zeitpunkt unmöglich, zumal der von George Bush sofort als Drahtzieher ausgemachte Osama Bin Laden der Welt versicherte, diese Anschläge nicht geplant zu haben.
Die USA stützten allein aber auf diese Resolution die „Operation Enduring Freedom“. Mit ihr wurde die militärische Intervention in Afghanistan gegen den aus Saudi Arabien stammenden Kopf eines Terroristennetzwerkes begründet. Was besagt nun aber das in Art. 51 der Satzung der vereinten Nationen angesprochene Recht zur Selbstverteidigung? Es heißt darin, keine Bestimmung der UN-Satzung beeinträchtige das Selbstverteidigungsrecht „wenn ein Angriff mit Waffengewalt erfolgt … bis der Sicherheitsrat … die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat“. Das bedeutet nichts anderes als die Bestätigung des Grundsatzes, Waffengewalt dürfe nur aufgrund einer dazu legitimierenden Resolution des Sicherheitsrates eingesetzt werden und vorübergehend, bis diese vorliegt, müsse der Angegriffene nicht tatenlos den Angriff auf sich erleiden, sondern dürfe sich wehren.
Einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates, der es den Streitkräften der USA erlaubte, aufgrund einer Aktion einzelner Terroristen aus unterschiedlichen Ländern ein fremdes Staatsgebiet zu besetzen und dort kriegerische Handlungen durchzuführen, gab es indessen nie. Mangels einer solchen Rechtfertigung war also auch die US-Intervention in Afghanistan ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg.
1986 Libyen
Am 5. April 1986 erfolgte ein Attentat auf die von US-Soldaten besuchte Diskothek La Belle in Berlin. Eine „Selbstverteidigung“ der USA bis zu einem Beschluss des Sicherheitsrates der UN scheiterte schon daran, dass danach kein gegenwärtiger Angriff mehr vorlag. Ein solcher Beschluss wäre also abzuwarten gewesen. Gleichwohl führten in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1986 Streitkräfte der USA einen Luftangriff auf die libyschen Städte Tripolis und Bengasi aus. Es starben 36 Libyer und u.a. an mehreren Botschaftsgebäuden entstand beträchtlicher Sachschaden. Wieder handelte es sich um einen nach der UN-Charta völkerrechtswidrigen Angriff.
1989 Panama
Am 20. Dezember 1989 griff eine 20.000 Mann starke Task Force der USA Panama an, besiegten innerhalb von vier Tagen die Nationalgarde und lösten sie auf. Der seinerzeitige Präsident Noriega hatte jahrelang auf der Gehaltsliste der CIA gestanden. Nachdem sich die Beziehungen zwischen Panama und den USA verschlechtert hatten (u.a. sollte der Panamakanal durch japanische Investoren und Bauunternehmen ausgebaut werden, was den Interessen der US-Baufirma Bechtel Corporation widersprach) entschied der US-Präsident, seine Politik gegenüber Noriega zu verändern. Eine Verteidigungshandlung war selbstverständlich nicht gegeben. Ein Beschluss des UN-Sicherheitsrates lag ebenfalls nicht vor, so dass ein klassischer, völkerrechtswidriger Angriffskrieg vorlag.
1991 Irak
Am sog. Zweiten Golfkrieg ist die Vorgeschichte interessant: Aus dem ersten Golfkrieg (Irak gegen Iran) von September 1980 bis August 1988 hatte der Irak erhebliche Schulden, u.a. einen kuwaitischen Kredit über 80 Milliarden US-Dollar. Der Irak machte gegenüber Kuwait geltend, Kuwait habe seine Ölförderquoten überschritten und dadurch dem Irak immensen Schaden zugefügt. Zudem bohre Kuwait irakische Ölfelder an. Der Konflikt eskalierte.
In dieser Situation bestellte Saddam Hussein die amerikanische Botschafterin April Glaspie zu einem Gespräch ein. Da die USA schon seinen Angriff auf den Iran unterstützt hatten, nahm er an, eine weitere Expansion treffe dort ebenfalls auf Akzeptanz. Informiert über die Angriffspläne teilte die Dame Glaspie mit, sie habe eine direkte Anweisung des amerikanischen Präsidenten Bush, die Beziehungen zum Irak zu verbessern und dann: „Wir haben keine Meinung zu den innerarabischen Konflikten wie dem Grenzkonflikt mit Kuwait … Wir hoffen, dass Sie das Problem mit den Ihrer Meinung nach passenden Mitteln lösen können.“ (Larry Everest, Oil, Power and Empire. Iraq and the US global Agenda, Common Courage Press 2004, S. 125).
Nachdem der Irak dann erwartungsgemäß – und völkerrechtswidrig – in Kuwait einmarschiert war, folgte zur Mobilisierung der Öffentlichkeit eine handfeste Lüge: Präsident Bush, die königliche Familie aus Kuwait und das amerikanische Kommunikationsunternehmen Hill & KnowIton ließen die Geschichte verbreiten, irakische Soldaten hätten nach der Invasion Säuglinge aus Brutkosten genommen und auf den Boden geworfen, um sie zu töten. Präsident Bush behauptete gar, exakt 312 Kinder seien auf diese Weise umgebracht worden. Nach dem Krieg stellte sich indessen heraus, dass die dramatisch präsentierte Kronzeugin, ein 15-jähriges Mädchen namens Nayirah, niemals in dem Spital in Kuwait gearbeitet hatte und die Geschichte erfunden war. Das Mädchen hieß Nijirah al-Sabah. Sie war die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA.
Der Einmarsch der USA erfolgte dann aufgrund einer Resolution des UN-Sicherheitsrates. Er wäre damit eigentlich gerechtfertigt gewesen – wenn da nicht das hinterhältige Fallenstellen und Lügen gewesen wäre, das das Zustandekommen der Resolution nicht unerheblich beeinflusst haben dürfte.
1999 Jugoslawien
Der erste bewaffnete Konflikt, an dem Deutschland sich nach 1945 mit Truppen im Ausland beteiligte, begann mit einer unannehmbaren Forderung: Seit Februar 1999 liefen im Schloss Rambouillet unter Vermittlung einer internationalen Kontaktgruppe Vertragsgespräche zur Beendigung des Kosovo-Konfliktes. Die Kontaktgruppe war NATO-dominiert. In die letzte Entwurfsfassung schrieb die Kontaktgruppe kurzfristig und nicht verhandelbar eine „Einladung“ der Konfliktparteien an die NATO hinein, nach welcher ohne UN-Mandat NATO-Truppen in einer Stärke von 30.000 Mann im Kosovo und in der gesamten Bundesrepublik Jugoslawien stationiert werden sollten. Jugoslawien sollte die zivil- und strafrechtliche Immunität der NATO-Truppen sowie die kostenlose und uneingeschränkte Nutzung der gesamten jugoslawischen Infrastruktur durch die NATO zugestehen (Heinz Loquai, Der Kosovo-Konflikt, 2000, S. 90f., 152f.).
Henry Kissinger hat dazu treffend gesagt, die Ablehnung dieser „Einladung“ seitens der Serben sei vorhersehbar gewesen. Er kennzeichnete das Vorgehen der NATO nicht als Verhandlung, sondern als Ultimatum („Fateful decisions were taken … The first was the demand that 30.000 NATO troops enter Yugoslavia, a country with which NATO was not at war … The second was to use the foreseeable Serb refusal as justification for starting the bombing.“, New World Disorder, cit. n. Gilbert Achcar, Rasputin Plays at Chess, in: Tariq Ali, Masters of the Universe, 2000, S. 82).
Am 24. März 1999 begann die Nato das Bombardement. Weder lag eine Verteidigungshandlung vor, nach war ein UN-Mandat gegeben. Evident lag damit ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg vor.
2003 Irak
Schon im Januar 2001, also lange vor „9/11“, planten die USA einen weiteren Angriff auf den Irak. Der ehemalige Finanzminister Paul O’Neill hat dazu bekundet, bereits Anfang 2001 sei in einer Sitzung des NSC im Weißen Haus der Sturz Saddam Husseins das zentrale Thema gewesen. Es sei nicht mehr um das Warum gegangen, sondern nur noch um das Wie und Wie schnell (Ron Suskind, The Price of Loyalty, 2004, S. 96).
Der dann später vorgeschobene „Krieg gegen den Terror“ war danach schlicht Propaganda. Dasselbe gilt für den zweiten, vorgeschobenen Kriegsgrund: George Bush und Tony Blair behaupteten, der Irak besitze biologische und chemische Massenvernichtungswaffen. Seine Raketen seien in 45 Minuten einsatzbereit. Das hat sich hinterher als dreiste Lüge herausgestellt.
Am 20. März 2003 begannen die USA und Verbündete mit den Bombardements. Im Laufe des Krieges wurden bis zu 2.000 Tonnen panzerbrechende Uranmunition seitens der „Koalition der Willigen“ verschossen. Die Rate der Krebserkrankungen bei Irakern stieg um das Zehnfache, Missbildungen bei Kindern nahmen drastisch zu. Es sage also niemand, die USA hätten noch keine Atomwaffen in Kriegen eingesetzt.
In der UN-Resolution 1441 hatte der UN-Sicherheitsrat den Irak dafür verurteilt, seiner Verpflichtung zur Vernichtung von Massenvernichtungswaffen (die ihm seitens westlicher Staaten im Krieg gegen den Iran geliefert worden waren) nicht nachzukommen und die UN-Mitgliedstaaten autorisiert, die notwendigen Mittel anzuwenden, um die Einhaltung der UN-Resolutionen durchzusetzen. Für einen militärischen Angriff bedarf es indessen eines ausdrücklichen und unmissverständlichen Mandates. Das gab es nicht. Gleichwohl haben die „Willigen“ diese Resolution dreist als Legitimation ihres Angriffskrieges herangezogen. Auch hier ist also festzustellen, dass der Angriff völkerrechtswidrig war.
2012 Syrien
Die USA intervenierten 2012 in Syrien, um das Assad-Regime zu stürzen, zunächst vornehmlich mit Waffenlieferungen an Rebellen und die Ausbildung der Rebellen. Seit 2014 bekämpften die USA dort auch den „IS“, seit 2016 befinden sich dort reguläre US-Militäreinheiten.
Diese Intervention war und ist völkerrechtswidrig. Nach der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes (IGH) verstößt die Bewaffnung und das Training von Rebellengruppen im Ausland gegen das Gewaltverbot der UN-Charta (Mer-its, Judgement, I.C.J. Reports, 1986, S. 119 Abs. 228; vgl. auch Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Völkerrechtliche Bewertung der russischen, amerikanischen und israelischen Beteiligung am Syrienkonflikt, 2018). Die USA hatte niemand gerufen. Insbesondere lag keine Genehmigung der syrischen Regierung vor (anders als bei der russischen Beteiligung am Konflikt, die deshalb völkerrechtskonform ist). Von „Selbstverteidigung“ kann also auch keine Rede sein.
Nach 1945 haben die USA über 40 An- und Übergriffe auf andere Länder ausgeübt. Die obige Aufzählung gibt also nur einen kleinen Ausschnitt der Geschehnisse wieder.
Und jetzt zur aktuellen Situation:
Der russische Überfall auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 ist ebenfalls ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Auch er ist von der Kriegspropaganda legitimiert worden mit dem Argument der Verteidigung – hier in der Version, ein Genozid habe im Osten der Ukraine gedroht. Die moralische Empörung des Westens schlägt hohe Wellen – und isoliert betrachtet zu Recht. Krieg als Mittel der Politik bedarf der Ächtung.
Wer aber darf sich moralisch über einen anderen erheben? Ist es nicht nur derjenige, der sich selbst tadellos verhalten hat? Steht „der Westen“ wirklich so tadellos da? Wird die schlechte Tat zur guten, wenn die Guten sie begehen? Und wer darf sich zum Guten erklären? Derjenige, der selbst reihenweise völkerrechtswidrige Angriffskriege geführt hat?
Mir geht es indessen nicht um Moralisieren. Wir sollten mit großer Wachsamkeit die Instrumente betrachten, die eingesetzt werden, um einen Kriegseinsatz zu legitimieren. Aus der Schilderung zu US-amerikanischen Kriegseintritten ist ein Muster zu erkennen: Die Täuschung durch Verbreitung von Unwahrheiten, mit der Angst und Hass geschürt werden. Damit wird die Kriegsbereitschaft der Bevölkerung geweckt. Durch finanzielles Engagement, durch Waffenlieferungen und Militärberater werden zudem Fakten geschaffen.
Schaut man daraufhin die Berichterstattung der Leitmedien an, finden wir das Muster: Der „Brutkasten“ findet sich wieder, indem wir hören, die Russen hätten eine Geburtsklinik angegriffen (oder war es tatsächlich ein zur Kommandozentrale umfunktioniertes, ehemaliges Krankenhaus?). Die Massenvernichtungsangst findet sich wieder, indem wir hören, die Russen griffen Atomkraftwerke an (wer ist tatsächlich so dumm, das zu tun, obwohl es keinerlei militärischen Nutzen hat?). Schon aber tönt es aus dem Munde des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, wenn dergleichen geschehe, müsse man über einen Kriegseintritt der NATO nachdenken. Nun macht ein Märzfalke noch keinen Krieg, aber wehret den Anfängen!
US-Militärberater waren und sind in der Ukraine. Die Waffenlieferungen sollen erweitert werden. Truppen werden aufgestockt und an den Konfliktbereich herangeführt. Wie einfach ist es dann, geeignete „Zwischenfälle“ herbeizuführen, die Anlass zum „Zurückschießen“ geben? Haben denn alle schon Vietnam vergessen? Ein angeblicher Torpedo ist leicht gefunden und dann kann es losgehen.
Die Athener von heute sind nicht weniger skrupellos, als diejenigen vor 2.500 Jahren. Lästiger Weise müssen sie aber täuschen und tarnen, damit man ihre Absichten nicht erkennt. Da hatten es ihre Vorgänger leichter. Sie mussten sich mit einer „Öffentlichkeit“ nicht herumschlagen. Und so kommen wir alle ins Spiel. Bleiben wir kritisch, fallen wir auf die Muster der heutigen Kriegstreiber nicht herein. Anders als die sind wir keine Manichäer, sondern lieben die Wahrheit. Wir lassen uns nicht vorschreiben, wer die Guten und wer die Bösen sind, denn so einfach ist die Welt bei weitem nicht!