8. Bericht aus Berlin

Am 2. Juni 2022 war eine Delegation von Abgeordneten mit der Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses aus Litauen zu Besuch bei unserer Deutsch-Baltischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Außer mir als Vorstandsmitglied dieser Gruppe und deren stellvertretender Vorsitzender Hagedorn von der SPD-Fraktion hatte niemand Zeit, sich den Gästen anzunehmen. Wie immer bei der Zusammenarbeit mit den Kollegen aus den Rot-Grünen Fraktionen – etwas besser scheint es langsam mit den Kollegen aus der Unions- bzw. FDP-Fraktion zu werden – sollte sich der Termin etwas spannungsgeladen gestalten.

Die Kollegin wollte mich als „Neuling“ zunächst nicht für voll nehmen und nahm als stellvertretende Vorsitzende für sich in Anspruch, das Treffen allein zu leiten, was zunächst nicht zu beanstanden ist. Allerdings fühlte sie sich dann bemüßigt, stets bei meinen Beiträgen zu intervenieren, deren Richtung ihr nicht gefielen. Es hieß, wir sollten den Gästen gegenüber „höflich“ sein. Eine Aufforderung, deren Einhaltung mir naturgemäß noch nie schwergefallen ist, die mich allerdings nicht davon abhielt, den „pro“ Selenskyj eingestellten Gästen die dagegenstehende, neutrale Position unserer Fraktion zu vermitteln. Nun, die Gäste waren augenscheinlich gerade deswegen an meiner Person interessiert und wollten sich überwiegend mit mir auseinandersetzen, so dass die Genossin von der SPD bald ihren Widerstand aufgab und sich ein überaus angeregter Meinungsaustausch ergab.

Am selben Nachmittag war ich dann noch zur Verabschiedung der lettischen Botschafterin in deren Botschaft eingeladen. Es war ein überaus angenehmer Event, auf dem sich die Gelegenheit zu interessanten Gesprächen ergab. Noch angefasst von den unangenehmen Eindrücken des Vormittages wurde mir dann wieder einmal bewusst, auf welchem erschreckend niedrigen Niveau wir uns Deutsche mittlerweile befinden; dies war zwar einer meiner ersten Botschaftsbesuche, aber ich behaupte einmal, dass wir zu einem so interessanten Rahmenprogramm mit schöner Musik und Gesprächen, in denen nicht verhehlt wurde, dass man unterschiedlicher Meinung sein darf und auch ist (auch die Letten sind pro NATO auf einem deutlichen Konfliktkurs zu Russland), gegenwärtig nicht mehr in der Lage sind.

Am vorvorletzten Wochenende fand dann in Stockholm ein Parlamentariertreffen der Ostseeanrainerstaaten statt, an dem ich in Vertretung unseres verhinderten Bundestagsabgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern teilnahm. Mit mir waren der Fraktionsvorsitzende unserer Landtagsfraktion aus Schwerin und ein Kollege aus dem Hamburger Senat anwesend. Natürlich ist man als Abgeordneter unserer Partei stets in der Minderheit, das ist nicht angenehm, aber man weiß es. Es ist dann jedoch etwas anderes, diesen Minderheitsstatus auch am eigenen Leibe zu erfahren. Es ist schon bedrückend, mit welcher Einmütigkeit mittlerweile auch die konservativen Parteien anderer Länder ohne viel Federlesens auf den rot/grünen Mainstream der westlichen Hemisphäre aufgesprungen sind (Was ist nur los mit den Schwedendemokraten?). Schon am ersten Tag wurde einmütig, allerdings ohne uns drei und ohne die russischen Mitglieder, die einem Rauswurf durch vorherigen Austritt zuvorkamen, eine “Ukraine-Resolution“ verabschiedet, die vor Aggressivität und Schuldzuweisungen gegenüber der russischen Föderation nur so strotzte. Eigentlich war ich gegen die Resolution, habe mich dann aber auf deren Bitte mit den beiden Kollegen zur Stimmenthaltung überreden lassen, um auch hier einmütig gegenzuhalten und unserer Position nicht den Schwung zu nehmen. Mittlerweile sind alle baltischen Anrainerstaaten auf den Putin-Konfrontationskurs der NATO eingeschwenkt. Wir können jetzt nur noch hoffen, dass der Konflikt nicht noch weiter eskaliert …

Nun, zurück in Berlin empfängt einen sofort der gewohnte „Parlamentstrott“ und man ist wieder im gewohnten Betrieb.