Vernichtende Kritik – schonend formuliert

Ein kritischer Überblick über den Expertenbericht zu den Corona-Maßnahmen in Deutschland

Mit Spannung erwartet, ist die Wahrheit jetzt raus: ein interdisziplinärer Sachverständigenausschuss hat monatelang die Corona-Politik in Deutschland evaluiert, die Wirksamkeit der von der Politik ergriffenen Maßnahmen untersucht und jetzt seinen Bericht vorgestellt.

Das Ergebnis fällt für Spahn, Lauterbach, Söder und viele andere Verantwortliche der deutschen Corona-Politik vernichtend aus. Dabei hält sich der Bericht im Tonfall zurück und vermeidet vielfach klare Aussagen. Das missfällt sogar Mitgliedern des Ausschusses. So sagte der Virologe Klaus Stöhr dem ZDF: „Ich hätte mir gewünscht, dass mehr konkrete Aussagen getroffen worden wären.“ So zeigten etwa Daten, dass Schulschließungen ineffizient seien. Dennoch habe sich der Expertenrat hier nicht eindeutig geäußert. Stöhr machte deutlich, dass er den Bericht in Teilen nicht mitträgt, weil er ihm nicht weit genug geht.

Die 18 Mitglieder des Rates, unter denen neben Virologen und Naturwissenschaftlern auch Juristen sind, bemängeln unter anderem die „von Politik und Behörden zu verantwortende katastrophale Corona-Datenlage in Deutschland, die der Grund dafür sei, dass man die meisten von der Politik verordneten Maßnahmen nur unvollständig habe bewerten können“.

Unter anderem heißt es: „Während in anderen Ländern Möglichkeiten zur Einschätzung der Wirkung von nicht-pharmazeutischen Maßnahmen genutzt wurden, ist eine koordinierte Begleitforschung während der Corona-Pandemie in Deutschland weitgehend unterblieben.“ Es habe etwa keine Forschungskonzepte gegeben, „um (…) auf Grundlage besserer Daten und darauf aufbauender Analysen die anstehenden Entscheidungen in der Pandemie zu fällen“.

Bemängelt wird weiter, die Politik habe auch keine der bereits geplanten oder laufenden Studien „zur Lösung der brennendsten Bekämpfungsfragen auf nationaler Ebene angestrengt“. Es gebe keine gemeinsam koordinierten Forschungsinitiativen, und das Angebot der gesetzlichen Krankenkassen, „ihre enormen Datenbestände“ zur Verfügung zu stellen, habe niemand angenommen. Eine Kosten-Nutzen-Analyse der Corona-Maßnahmen wurde wegen der schlechten Datenlage gar nicht erst erstellt.

Auch mit Blick auf den Lockdown hüten sich die Experten vor einem scharfen Urteil. Dabei ist auch das zwischen den Zeilen gefällte Urteil für die Regierenden eine Ohrfeige: „Je länger ein Lockdown dauert und je weniger Menschen bereit sind, die Maßnahme mitzutragen, desto geringer ist der Effekt und umso schwerer wiegen die nicht-intendierten Folgen.“ Zu diesen zählen dem Bericht zufolge eine Verschlechterung der Grundgesundheit, weil Behandlungen verschoben und Erkrankungen nicht erkannt wurden. Zudem ist von einer Zunahme von psychischen Erkrankungen und existenziellen Nöten die Rede.

Als Beispiel führt der Bericht an: „Für den deutschen Landkreis Waldshut wurde für die erste Infektionswelle gezeigt, dass eine Übersterblichkeit zu verzeichnen war, die zu etwa 55 Prozent auf Covid und rund 45 Prozent auf das Ausbleiben bestimmter Behandlungen beruhte.“

In dem Report wird auch bemängelt, dass durch die erfolgten Schulschließungen Kinder besonders betroffen seien: „Physische und psychische Belastungen der Kinder sind empirisch gut belegt, die Betroffenheit unterscheidet sich dabei deutlich nach dem sozioökonomischen Status der Familien.“ Eine weitere Expertenkommission solle zwecks tiefgehender Untersuchung eingesetzt werden.

Für Masken in Innenräumen fanden die Experten Lob, schränken aber auch dieses ein: „Eine generelle Empfehlung zum Tragen von FFP2-Masken ist aus den bisherigen Daten nicht ableitbar.“ Zudem sei die Wirkung davon abhängig, wie die Maske getragen werde.

Überraschend deutlich wird die Kritik der Experten hingegen beim Thema „rechtliches Zustandekommen der Corona-Maßnahmen“. Durch die alle paar Monate fällige Verknüpfung mit der „Feststellung der epidemischen Lage nationaler Tragweite“ durch den Bundestag sei es zu vermeidbaren politischen Missverständnissen gekommen. „Die faktische Entscheidungsgewalt über den Erlass einzelner Maßnahmen lag häufig bei der ‘Bund-Länder-Runde‘ – einem Gremium, das im Grundgesetz nicht verankert und von den Parlamenten entkoppelt ist“, heißt es in dem Bericht. „Es tagte hinter verschlossenen Türen und tat dann nach Ende seiner Beratungen der Öffentlichkeit deren Ergebnisse kund. In diesem klassischen Fall einer reinen Top-down-Kommunikation fehlte naturgemäß alles, was bei parlamentarischer Beratung selbstverständlich gewesen wäre: der öffentliche Austausch von Argumenten, das Vortragen von Begründungen, die Gegenüberstellung kontroverser Positionen sowie die Präsentation von Alternativen.“

Kritik gab es auch an der „Bundesnotbremse“. Diese hatte das Bundesverfassungsgericht, das unter Angela Merkels Vertrautem Harbarth zu einem willigen Erfüllungsgehilfen der Regierung geworden ist, abgesegnet. Doch, so heißt es in dem Bericht, „verfassungspolitisch sind die Folgeprobleme so gravierend, dass eine Wiederholung dieses Regelungsregimes nicht empfohlen werden kann“.

Ein weiterer Kritikpunkt ist ebenso wichtig wie vernichtend für die Politik und die Medien: abweichende Meinungen seien oft vorschnell verurteilt worden, so die Experten: „Wer alternative Lösungsvorschläge und Denkansätze vorschlug, wurde nicht selten ohne ausreichenden Diskurs ins Abseits gestellt. Dabei ist eine erfolgreiche Pandemiebewältigung ohne den offenen Umgang mit Meinungsverschiedenheiten langfristig nur schwer denkbar.“

Fazit: Der Expertenrat wollte die Regierung offensichtlich schonend behandeln – wir tun das nicht! Selbst die unvermeidliche Kritik des Berichtes ist geradezu vernichtend. Dass die Politik daraus Konsequenzen zieht, ist allerdings nicht zu erwarten – die Einstimmung auf die nächste „Pandemie“-Welle läuft bereits auf Hochtouren. Wir werden uns diesem Irrsinn unserer Regierung als Bundestagfraktion mit aller Kraft entgegenstellen.